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26.10.2021
Die Windkraft soll in den Wald: Aiwanger verkündet in Pegnitz neue Pläne

Creußen/Grafenwöhr (Der Neue Tag - 26.10.2021)

Nach Ansicht von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger erfüllen etwa drei Prozent der Landesfläche die Bedingungen für den Bau von Windkraftanlagen. „Aber dann muss eben noch vor Ort die Akzeptanz hergestellt werden“, sagte der Freie-Wähler-Chef am Montag bei einem Ortstermin an einem Windrad in Creußen (Landkreis Bayreuth).

Die Windanlage wird von der Grafenwöhrer Energiegenossenschaft Neue Energien West betrieben, die Aiwangers Parteifreund Bernhard Schmidt als Geschäftsführer leitet. Vor Ort kritisierte der Wirtschaftsminister Diskussionen auf Bundesebene, wonach jedes Land künftig zwei Prozent ihrer Landesfläche für die Windenergie zur Verfügung stellen müsste.

Unabhängig von der noch laufenden Debatte der möglichen neuen Bundesregierung präferiert Aiwanger einen pragmatischeren Ansatz, um der Windenergie neues Leben einzuhauchen. „Diskutiert ist genug und die Diskussion auf hoher theoretischer Ebene läuft immer mehr ins Leere“, sagte er und schlug vor, in Bayerns Wäldern den Bau voranzutreiben. Die Zustimmung für die Windkraft nehme zu, „weil man ja auch die enorme Wirkung dieser neuen Windräder vor allem sieht“.

Konkret rechnet Aiwanger hier mit rund 300 geeigneten Standorten, davon etwa Zweidrittel in Privatwäldern und ein Drittel in den Staatsforsten, auf denen bis zu fünf Anlagen „relativ ohne Problem“ gebaut werden könnten. In Summe seien dies 500 bis 1000 neue Anlagen, die im Wald trotz ihrer Höhe von bis zu 250 Metern besser versteckt seien. Derzeit gebe es landesweit rund 1100 Windkraftanlagen.

Auf einer vom bayerischen Wirtschaftsministerium bereitgestellten Karte sind in der Oberpfalz vor allem Gebiete an der deutsch-tschechischen Grenze rund um die Stadt Bärnau im Landkreis Tirschenreuth eingezeichnet. Eine Häufung zeigt die Karte zudem im Landkreis Amberg-Sulzbach, etwa zwischen den beiden Truppenübungsplätzen Grafenwöhr und Hohenfels. Hinzu kommen weitere einzelne Flächen.

Wenig Begeisterung bei der CSU

Die für die Staatsforsten zuständige Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) zeigte sich zunächst wenig begeistert von Aiwangers Plänen. Sie warne davor, „die bayerischen Wälder unkontrolliert mit Windrädern voll zu pflastern“, sagte sie laut Mitteilung. „Pauschale Ansätze, einfach möglichst viele Windräder in Bayerns Wäldern zu errichten, sind schöne Worte ohne wirkliche Lösung. Wer die heimischen Wälder dabei einfach hinter energiewirtschaftliche Interessen zurückstellt, opfert unsere Wälder und damit unsere Heimat.“

Für Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) dürfen die Interessen des Arten- und Naturschutzes nicht gegen die des Klimaschutzes ausgespielt werden. Sollten sich jedoch „konkurrierende Interessen“ gegenüberstehen, müsse am Ende der Klimaschutz Vorrang haben. Nur so könne es am Ende des Tages zu einem substanziellen Zubau kommen. Mit Blick auf die Staatsforsten betonte Glauber, der Freistaat müsse hier liefern.

Das Thema Windkraftausbau ist seit Jahren ein Dauerstreitthema in Bayern. Derzeit gilt die sogenannte 10H-Regel für den Bau von Windrädern. Das heißt, die nächste Siedlung muss zehn Mal so weit entfernt sein, wie das Rad hoch ist. In der Folge ist der Ausbau weitgehend zum Erliegen gekommen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte seinerseits vor Monaten bereits Lockerungen angekündigt. SPD und Grüne im Landtag bezweifelten, dass die Windenergie ohne ein Ende der 10H-Regel ernsthaft wiederbelebt werden könne.

Echte Chance für Energiewende

Aiwanger sieht in den Windrädern in den Wäldern eine echte Chance für die Energiewende: „37 Prozent der Landesfläche sind Wald, und wir müssen jetzt mehr Windkraft in Bayern realisieren.“Unabhängig von der Frage, ob die umstrittene 10H-Abstandsregel von der neuen Bundesregierung gekippt werde oder nicht, gehe es darum, Potenziale in den heimischen Wäldern zu beleuchten und zu realisieren. Mehr Akzeptanz erhofft Aiwanger sich durch eine finanzielle Beteiligung der Kommunen und betroffenen Bürger an den Stromerlösen sowie durch Pachteinnahmen für die Waldbesitzer, die Flächen zur Verfügung stellen wollten. Auch für Tiere und Pflanzen seien die Anlagen eine gute Nachricht, da die Gebiete ökologisch aufgewertet würden. Anstelle von Baum-Monokulturen würden auf den etwa 50mal 50 Meter großen Bauflächen Blumen und Disteln wachsen, die vielen Tieren wie Schmetterlingen als Lebensraum dienten. Die für die Windräder gefällten Bäume könnten zudem andernorts wieder aufgeforstet werden.

Obwohl die Windkraft viele Freunde hat, Zuspruch bekam Aiwanger am Montag auch außerhalb der Regierung keinen. „Mit Mini-Lockerungen und einem weiteren Herumdoktern an der 10H-Windkraft-Verhinderungsregel wird die Windkraft in Bayern nicht wiederbelebt. Sie liegt seit sieben Jahren im Sterbebett“, zitiert eine Pressemitteilung der bayerischen Landtags-Grünenden energiepolitischen Sprecher,Martin Stümpfig.

„Gerade jetzt ...“

Aiwangers Ankündigung, sich auf Wälder zu fokussieren, reiche nicht aus. „Gerade jetzt, wo die Preise für fossile Energieträger in die Höhe schießen, schafft es die Windkraft die enormen Preissprünge etwas zu dämpfen. Sie ist neben Photovoltaik und Wasserkraft eine Möglichkeit uns bei der Energieerzeugung im Freistaat endlich unabhängig zu machen“, so Stümpfig weiter. Noch härter fällt die Kritik von Johannes Bradtka aus. Der Vorsitzende des in Erbendorf (Kreis Tirschenreuth) ansässigen Vereins fürs Landschaftspflege und Artenschutz Bayern (VLAB) gilt als Gegner von Windkraftanlagen in Waldgebieten. Der mit dem Verbandsklagerecht ausgestattete Umwelt- und Naturschutzverein geht immer wieder juristisch gegen Windkraftprojekte in Bayern vor. Und der Verein werde auch gegen die neuen Ausbaupläne vorgehen. „Dies ist eine typische Aiwanger-Luftnummer“, sagt Bradtka, der vor allem an der Konzentration auf den Ausbau in Waldgebieten kein gutes Haar lässt. Die Darstellung, dass Windräder im Wald weniger Schaden anrichten, sei grob falsch. „Pro Windrad müssten rund 5000 Quadratmeter Wald gefällt werden. „Das ist für den Klimaschutz kontraproduktiv.“

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