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25.05.2021
Aiwanger will Freie Wähler als Spitzenkandidat in Bundestag führen

Unterhaching (Der Neue Tag - 25.05.2021)

Gut, die Münchener Allianz-Arena, das Stadion der bayerischen Dauersieger, ist an diesem Samstag nicht frei. Der FC Bayern bekommt mal wieder die Meisterschale überreicht. Aber dass sich die Freien Wähler stattdessen den Sportpark Unterhaching für ihre Landesversammlung unter freiem Himmel ausgesucht haben, um den Startschuss für ihren geplanten Einzug in den Bundestag zu geben, ist kein gutes Omen. Die örtliche Spielvereinigung ist letzteWoche in die Regionalliga abgestiegen. Berlin und die Bundesliga sind in Unterhaching gerade in jeder Hinsicht sehr weit weg.

Generalsekretärin Susann Enders setzt dem wenig aufmunternden Geist des Ortes geballten Optimismus entgegen. „Der Einzug in den Bundestag war noch nie so erreichbar heute“, ruft sie zu Beginn der Versammlung in die coronabedingt luftig besetzte Haupttribüne des Stadions. Bei aktuell drei Prozent in bundesweiten Umfragen ist das eine gewagte Aussage. Wenn man sie aber ins Verhältnis zu dem einen Prozentchen bei der Bundestagswahl 2017 setzt, ist sie auch nicht falsch. Landtagsfraktionschef Florian Streibl sieht gar eine „historische Chance“ für die Freien Wähler. Mit Verzagtheit gewinnt man schließlich nicht mal Blumentöpfe.

Der nächster Außenminister?

Streibls und Enders’ Hoffnung hat einen Namen: Hubert Aiwanger. Der Bundes- und Landesvorsitzende will die Partei als Spitzenkandidat in den Bundestag führen. „Der Hubert“, sagt Streibl, „macht eine saugute Politik.“ Und weil er gerade im Euphoriemodus ist, was bei ihm in Sachen Aiwanger nicht dauernd vorkommt, fügt er mit einem Blick vom Podium auf den Mann in der ersten Reihe an: „Vielleicht sitzt da schon unser nächster Bundesaußenminister!“ Es ist ein Moment, der die Fantasie so manches Delegierten spürbar überfordert. Viele sind unschlüssig, ob sie jetzt lachen oder klatschen sollen.

Aiwanger ficht das nicht an. Der 50-jährige Niederbayer denkt schon seit dem Beginn seiner politischen Karriere vor bald 20 Jahren in großen Linien. „Deutschland braucht eine bessere Politik. Wir Freien Wähler stehen bereit – auf nach Berlin!“, beginnt er seine Bewerbungsrede. Die Freien Wähler in Berlin, „das ist die letzte Rettung, sonst geht es in den Graben mit dieser Politik“. Das Land sei in „höchster Not“, da nicht einzugreifen, sei unterlassene Hilfeleistung. Man brauche gesunden Menschenverstand in Berlin, eine pragmatische, bürgernahe Politik. Der Stammtisch und der Kirchturm, das seien die Anker der Freien Wähler.

Aiwanger lässt kein gutes Haar an denen in Berlin und ihrer „ideologisierten Politik“ von oben herab. Bei den Grünen wittert er überall Verbote, bei der SPD seien Kommunisten am Werk, und die Union habe sich schon ihrem Schicksal ergeben und liege bereitwillig „am Rücken, um sich den Bauch kraulen zu lassen“. Aiwangers Konsequenz daraus: „Wir wollen verhindern, dass Frau Baerbock Bundeskanzlerin wird, wir brauchen eine Koalition der Mitte.“ Unter Beteiligung der Freie Wähler versteht sich. Denn es klaffe eine große politische und gesellschaftliche Lücke in der Mitte, die nur die auf Bundesebene unverbrauchten Freien Wähler schließen könnten. Dann spannt Aiwanger einen weiten Bogen von der Landwirtschafts- bis zur Weltpolitik.

Als Fußballspieler der Ausputzer

97 Prozent der Delegierten können sich mit Aiwangers Visionen identifizieren und wählen ihm zum Spitzenkandidaten. Auf Platz 2 folgt Annette Hauser-Felberbaum aus Kempten und auf Platz 3 Christian Schindler aus Cham. So manchen wird erst jetzt bewusst, was das im Erfolgsfall für die Freien Wähler bedeuten könnte. Darauf angesprochen schnauft Florian Streibl am Rande der Versammlung erst einmal tief durch.„Das wird eine große Herausforderung“, sagt er dann. Er ahnt den großen Bedarf an Absprachen, damit man sich zwischen München und Berlin nicht in Widersprüche erstricke. Und es bedürfe Umstrukturierungen in Bayern, „wenn der Hubert nicht mehr da ist“. Auf alle Fälle würde dann ein neuer Wirtschaftsminister und Vize-Ministerpräsident gebraucht.

Wenn sich Streibl da mal nicht täuscht. Kürzlich hat Aiwanger von seiner Jugend als Fußballer erzählt. Schnell, wendig und torgefährlich sei er gewesen, vom „Ausputzer“ bis zum Mittelstürmer habe er alles gespielt. Gerannt sei er doppelt so viel wie die anderen. „Ich war vorne und hinten immer alles zugleich.“ 

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